ÖGfE | EU-Erweiterung: Leicht steigende Zustimmungsraten für potentielle EU-Beitrittswerber, wenn auch auf niedrigem Niveau
Ablehnung einzelner Länder des Westbalkans stark rückläufig | Kontinuierlich starke Ablehnung eines EU-Beitritts der Türkei – Umfrage
„Morgen präsentiert die EU-Kommission wieder ihr jährliches Erweiterungspaket zu den Ländern des Westbalkans und zur Türkei. Seit dem EU-Beitritt Kroatiens vor fünf Jahren ist das Thema Erweiterung für die Österreicher jedoch in den Hintergrund gerückt. Die Zustimmung zu den einzelnen Beitrittskandidaten am Westbalkan bewegt sich – trotz leichten Verbesserungen im Zeitverlauf – auf niedrigem Niveau. Interessant ist allerdings auch, dass nunmehr die Ablehnung einzelner Länder teils stark rückläufig ist“, betont Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE), in Bezug auf eine aktuelle österreichweite ÖGfE-Umfrage.
Hinsichtlich der einzelnen (potentiellen) Beitrittskandidaten herrscht unter den ÖsterreicherInnen ein zumeist recht einheitliches Meinungsbild. Eine Ausnahme bildet die Türkei, deren EU-Mitgliedschaft deutlich stärker abgelehnt wird.
Einen EU-Beitritt von Bosnien und Herzegowina begrüßen 31 Prozent der Befragten, 36 Prozent lehnen ihn ab, 24 Prozent ist es – nach eigenen Angaben – egal, ob das Land EU-Mitglied wird. (Rest auf 100 Prozent = „weiß nicht/Keine Angabe“ – gilt auch für folgende Werte)
Im Fall von Serbien sind es 29 Prozent, die eine EU-Mitgliedschaft des Landes begrüßen würden, während 45 Prozent eine solche ablehnen und 15 Prozent sich indifferent zeigen.
Ähnlich gestaltet sich das Meinungsbild, wenn es um einen möglichen Beitritt Mazedoniens (FYROM) geht: 26 Prozent würden ihn begrüßen, 41 Prozent ablehnen, 25 Prozent ist es „egal“.
Nahezu ident ist die Einstellung zu einem potentiellen EU-Zugang Montenegro: 27 Prozent würden das Land an der Adria als neues EU-Mitglied begrüßen, 39 Prozent jedoch ablehnen, 24 Prozent antworten „egal“.
Ein etwaiger EU-Beitritt von Albanien und dem Kosovo wird nahezu gleich beurteilt: Je 23 Prozent würden einen solchen begrüßen, je 22 Prozent wäre es „egal“, 45 Prozent bzw. 46 Prozent äußern sich ablehnend.
Dagegen könnte sich gegenwärtig nur knapp eine/r von zehn Befragten (9 Prozent) die Türkei als EU-Mitglied vorstellen. Drei Viertel der Befragten lehnen einen EU-Beitritt der Türkei jedoch ab (76 Prozent), während sich 13 Prozent indifferent zeigen.
Ein Blick auf eine seit dem Jahr 2010 bestehende ÖGfE-Zeitreihe macht deutlich, dass die Werte der expliziten Zustimmung zu den einzelnen Beitrittskandidaten am Westbalkan sich zwar auf niedrigem Niveau bewegen, jedoch ein leichter Trend nach oben festzustellen ist, während die Ablehnung einzelner Länder teils stark rückläufig ist bzw. die Indifferenz steigt. So im Fall von Albanien (minus 23 PP seit Herbst 2012), Bosnien-Herzegowina (minus 22 Prozentpunkte seit Herbst 2012), des Kosovo (minus 20 PP seit Herbst 2012) oder Serbiens (minus 17 PP seit Herbst 2013). Bei Mazedonien (FYROM) und Montenegro schwankt das Meinungsbild etwas stärker, doch auch hier geht die explizite Ablehnung teils stark zurück. Im Fall der Türkei zeigt sich hingegen in den letzten Jahren ein Trend zu stärkerer Ablehnung eines EU-Beitritts.
„Kommissionspräsident Juncker hat namentlich Serbien und Montenegro einen möglichen EU-Beitritt im besten Fall für das Jahr 2025 in Aussicht gestellt. Allerdings müssten die beiden Länder bis dahin noch massive Anstrengungen unternehmen, soll dieses Datum einigermaßen erreichbar scheinen. Das betrifft im Besonderen die Bereiche Grundrechte, Rechtstaatlichkeit und Regierungsführung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Für alle Beitrittsaspiranten gilt zudem, dass bilaterale Streitpunkte noch vor einer potentiellen EU-Mitgliedschaft beigelegt werden müssen, sodass Konflikte nicht in die Union importiert werden“, sagt Schmidt. „Was die Türkei anlangt, so sollten die Gesprächskanäle jedenfalls offen gehalten werden, auch wenn ein EU-Beitritt Ankaras derzeit keine realistische Perspektive darstellt.“
Nur ein knappes Viertel (23 Prozent) der Befragten möchte, dass Österreich als Motor für eine Aufnahme der Westbalkan-Länder in die EU auftritt. Knapp sechs von zehn Befragten (58 Prozent) halten das nicht für notwendig, während ein Fünftel in dieser Frage keine Stellungnahme abgeben kann (19 Prozent). Im Vergleich zu Oktober 2016 ist das Meinungsbild der ÖsterreicherInnen hierzu praktisch ident geblieben.
„Die EU-Annäherung der Länder am Westbalkan wird seit langem auch von Österreich unterstützt. Die Tatsache, dass sich Österreich kontinuierlich als aktiver Partner des Beitrittsprozesses positioniert, könnte zumindest dazu beigetragen haben, dass die dezidierte Ablehnung einzelner Balkan-Länder über die vergangenen Jahre merklich zurückgegangen ist. Solange allerdings die Neuordnung der EU nicht auf Schiene ist, wird die Zustimmung zu einer Erweiterung der Union weiterhin verhalten bleiben. Gleichzeitig darf die Integration der Westbalkan-Region nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden, sondern muss stärker als bisher auf die europäische Tagesordnung rücken, um auch dem Reformprozess in Südosteuropa neuen Schwung zu verleihen“, hält Schmidt fest.