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WKÖ | Europatag zu Arbeitsmarkt Europa: Europäische Lösungen um Paradoxon von hoher Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel zu mildern

Spannungsfeld zwischen Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel im Zentrum der Veranstaltung mit EU-Strategieberater Münz und Arbeitsmarktexperten Professor Zimmermann

Der Arbeitsmarkt Europa im Spannungsfeld zwischen Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel stand im Mittelpunkt des bestens besuchten Europatag der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) heute, Montag, im Haus der österreichischen Wirtschaft in Wien. Nach einer Key Note zu „Migration nach Europa, Mobilität in Europa“ von Professor Rainer Münz, als Mitglied des European Political Strategy Center einer der führenden Berater von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, und einem Impulsreferat von Prof. Klaus Zimmermann, Präsident der Global Labor Organization-GLO, über „Herausforderungen und Chancen der europäischen Arbeitnehmerfreizügigkeit diskutierten zwei Expertenrunden zu den Themen „Arbeitsmarkt“ und „Fachkräfte“. Mit dabei unter anderem AMS-Vorstand Johannes Kopf, die österreichischen Wirtschaftsdelegierten in Bukarest und Warschau, Gerd Bommer und Karl Schmidt, sowie Markus Tomaschitz von AVL List.

Maßnahmen gegen Fachkräftemangel

„Die Personenfreizügigkeit – einer der vier Grundpfeiler des europäischen Binnenmarktes – gibt Europa eine neue Dimension und ein Gesicht. Allerdings sind damit auch Ängste und Sorgen verbunden“, meinte WKÖ- und EUROCHAMBRES-Präsident Christoph Leitl. „Dagegen müssen wir etwas tun – auch auf europäischer Ebene.“ Zudem gebe es das Paradoxon einer hohen Jugendarbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel. „Junge Menschen sind verzweifelt auf der Suche nach Arbeit und viele Betriebe suchen verzweifelt Fachkräfte.“ Auch auf europäischer Ebene seien Überlegungen, Zielsetzungen und Maßnahmen notwendig, „um dieses paradoxe Situation zumindest zu mildern“. Das Modell der dualen Ausbildung könne hier ein Ausweg sein, wobei klar sei, dass dabei von Land zu Land unterschiedliche Formen der Verbindung von beruflicher und schulischer Ausbildung zu finden seien. Zudem plädierte Leitl für Kreativität mit Blick auf die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien. Die Übergangsfristen, die Österreich zu Beginn der Erweiterung nach Mittel- und Osteuropa in Anspruch genommen habe, sollten die Briten im Rahmen eines Binnenmarkt-Regimes mit der EU zeitverzögert in Anspruch nehmen können, regte er an.

EU-Chefberater Professor Münz betonte, dass es mittlerweile in ganz Europa einen Arbeitskräftemangel gebe. Ein Blick in die Zukunft zeige, dass Europa ergraut und gemessen an der Zahl der Erwerbstätigen schrumpft. Die Frage sei, wie diese Lücke zu füllen sei. Maßnahmen um gegenzusteuern reichen von einer Erhöhung des Pensionsalters über eine bessere Ausschöpfung des Erwerbspotenzials, die Förderung von Mobilität bis hin zu einer pro-aktiven Migrationspolitik und attraktiveren Bedingungen für Qualifizierte.

Strategische Zuwanderungsgesetze

Professor Zimmermann vom Institut für die Zukunft der Arbeit betonte: „Österreich verliert durch Auswanderung heimische Arbeitskräfte, deckt seinen Bedarf aber zum Beispiel durch den Zuzug aus Mittel- und Osteuropa. Kann es sich darauf auch in Zukunft verlassen? Nein! Viele Arbeitsmärkte sind leergeräumt.“ Klar sei, dass Österreich – so wie viele andere Länder der EU – auch in Zukunft auf den Zuzug aus Drittstaaten angewiesen sei. Notwendig seien daher strategische Zuwanderungsgesetze wie sie auch von der voraussichtlichen künftigen deutschen Regierung geplant seien. Die damit oft verbundenen Ängste der Bevölkerung seien zweifelsohne eine Herausforderung.

Berufsorientierung verbessern

Markus Tomaschitz von AVL List präsentierte beim WKÖ-Europatag die Sicht eines Unternehmens, das international aktiv und auf Fachkräfte angewiesen ist. Die Situation sei aus seiner Sicht „noch dramatischer als von Experten“ geschildert. Vor allem in den sogenannten MINT-Fächern sei der Fachkräftemangel eklatant hoch – auch deshalb, weil Berufe ausgeschrieben sind, für die es noch gar keine Ausbildung gibt. Schon in den Schulen müsse mit verschiedensten Maßnahmen gegengesteuert werden. AVL würde sich etwa wünschen, dass ausgebildete Pädagogen zumindest 1 Jahr Unternehmenserfahrung haben müssen, bevor sie unterrichten. Zudem müsse die Berufsorientierung ernst genommen und deutlich verbessert werden. Derzeit bleibt AVL List in manchen Fällen nichts anderes übrig, als andere Unternehmen aufzukaufen, um an dringend benötigte Arbeitskräfte zu kommen.