EBÖ-Präsident Leitl | Schengen: Österreich muss raus aus der Schmuddelecke
Bundeskanzler Karl Nehammer ist zuzustimmen, wenn er sich über die Sicherheit Österreichs Gedanken macht und dazu Vorschläge vorlegt. Das ist die eine Seite. Die zweite, noch wichtigere: Europa muss in der Asyl- und Migrationsfrage endlich gemeinsame Lösungen finden. Dazu sind österreichische Anregungen sicherlich hilfreich und aufgrund der großen Betroffenheit auch absolut nachvollziehbar. Immerhin liegen wir bei den. Asylanträgen pro Kopf im EU-Vergleich an erster Stelle liegen.
Um jedoch bei den EU-Partnern damit Gehör zu finden, ist es nicht förderlich, sich in die „Schmuddelecke der Veto-Keulen-Schwinger“ einzuordnen. Österreich verliert damit good will auf der europäischen Ebene, erleidet aber. vor allem einen enormen Vertrauensverlust. Nicht nur in Rumänien und Bulgarien, sondern in allen mittel- und osteuropäischen Ländern. Wir. Österreicher sind dort seit Beginn der Ostöffnung in den 1990ern nicht nur. wirtschaftlich eine Großmacht – als Top-Investor und besonders erfolgreicher Nutznießer der wirtschaftlichen Dynamik dieser Region, die auch den
wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der hohen Teuerung besser trotzt als Westeuropa, wie aktuelle Prognosen zeigen. Die Länder in Mittel- und Osteuropa haben in uns aufgrund der historisch engen Bande überdies auch immer eine wertvolle Begleitung gesehen und uns daher entsprechende Sympathie entgegengebracht. Ganz zu schweigen davon,
dass sehr viele Österreicherinnen und Österreicher im Alltag – ob im Gesundheitsbereich oder bei der Pflege ihrer Angehörigen – auf die Betreuung durch Arbeitskräfte aus diesen Ländern angewiesen sind. Nun stehen wir politisch wie wirtschaftlich im Eck.
Der Scherbenhaufen, der angerichtet wurde, muss jetzt rasch gekittet werden. Die Aufforderung der Europäischen Bewegung (EBÖ), überparteiliche und mit Partnerorganisationen in ganz Europa vernetzte Plattform der pro-europäischen Kräfte in Österreich: Es gilt, alle zur Verfügung stehenden Gesprächskanäle zu nützen, um notwendige und konstruktive Signale Richtung Rumänien und Bulgarien auszusenden. Der EU-Sondergipfel am 9./10. Februar bietet eine perfekte Gelegenheit für die Rückkehr zu einem zukunftsorientierten Miteinander.
Die grenzenlose Mobilität ist Teil der europäischen Identität. Dieses in der Schengen-Errungenschaft verbriefte Freiheitsversprechen der Europäischen Union muss möglichst rasch auch für Rumänien und Bulgarien eingelöst werden. Dann ist Österreich wieder Player bei der Lösung uns wichtiger Fragen, die sinnvollerweise nur gemeinsam auf europäischer Ebene angepackt werden können. Wer hingegen nationalstaatliches Gehabe an den Tag legt und die Errichtung von Mauern rund um Österreich verlangt, macht vielleicht Parteipolitik, aber sicher nicht Problemlösungspolitik.